Der Fokus der Diskussion lag auf dem Konzept der Remission als langfristiges Ziel, um Patient:innen die bestmögliche Lebensqualität zu ermöglichen. Prim. Univ.-Prof. Dr. Bernhard Ludvik, Vorstand I. Medizinische Abteilung Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie der Klinik Landstraße gab zum Auftakt der hochkarätig besetzten Veranstaltung einen Überblick über Problemfelder von Diabetes Typ 2: „Je früher Typ-2-Diabetes auftritt, umso mehr Lebensjahre verlieren Patientinnen und Patienten im Endeffekt. Das Risiko für Komorbiditäten ist erhöht – genauso wie die Gesamtsterblichkeit“, erklärte Ludvik. Frühe Intervention und effektive, bewusstseinsschaffende Präventionsmaßnahmen sind demnach unabdingbar. Denn Spätkomplikationen belasten nicht nur Betroffene und deren Familien, sondern auch das Gesundheitssystem. „Österreich verzeichnet im Ländervergleich sehr hohe Krankenhausaufenthalte aufgrund von Diabetes mellitus, vor allem Typ-2 Diabetes.“, so Ludvik.
Diabetes mellitus ist nicht ausschließlich selbstverschuldet, sondern großteils (epi-)genetisch bedingt. „TYp-2-Diabetes ist eine, Großteils genetisch bedingte, Erkrankung – und gegen die Genetik können wir nichts tun“, so Prim. Univ.- Prof. Dr. Martin Clodi, Präsident der ÖDG. Er wies jedoch darauf hin, dass mithilfe modernder Medikamente und Lebensstilinterventionen Betroffene in eine Normalisierung der Glukose kommen können.
Als Experte für Endokrinologie, Rheumatologie und Akutgeriatrie spannte Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Fasching, MBA, den Bogen zur ebenfalls chronischen rheumatoiden Arthritis, bei welcher Patient:innen bereits seit 15 Jahren sofort nach der Diagnose mithilfe moderner Medikamente einen Krankheitszustand meist ohne Einschränkungen ihrer Lebensqualität erreichen. „Diese Herangehensweise wird höchstwahrscheinlich auch auf TYP-2-Diabetes überspringen. Das Ziel ist eine möglichst rasche normale Stoffwechselsituation und die Senkung des Wertes in den Normbereich. Neuere moderne Medikamente können hierbei helfen, da sie auch effektiv eine Gewichtsreduktion herbeiführen. Damit gibt man vielen Patientinnen und Patienten eine realistische Möglichkeit, in Remission zu gehen – und auch zu bleiben“, so Fasching.
Dr. Gerald Bachinger, Patientenanwalt und Leiter NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft, sprach die Notwendigkeit der Förderung der Gesundheitskompetenz und Compliance der Menschen an. Dazu braucht Österreich ein Umdenken in der Diabetes-Therapie und eine ganzheitliche Betrachtungsweise von Kindesbeinen an. Hierbei wies OÄ Priv.-Doz. Dr. Johanna Brix, Präsidentin der Österreichischen Adipositas Gesellschaft (ÖAG), Klinik Landstraße, Wien, auf das Ressourcenproblem im niedergelassenen Bereich hin. „Zum einen ist dieser oftmals die erste Anlaufstelle für Betroffene, weshalb es hier gezielte Diabetes-Schulungen braucht. Zum anderen bedarf es einer adäquaten Refundierung zur Behandlung von Menschen mit Diabetes mellitus, sodass es im niedergelassenen Bereich attraktiv wird, sich zu spezialisieren.“
Erfolgreiches Diabetes-Management sei multiprofessionell, war sich die Expertenrunde einig. Den Stellenwert der Prävention und frühen Intervention betonte auch Angelika Widhalm, Vorsitzende Bundesverband Selbsthilfe Österreich. „Wir brauchen eine Revolution im gesellschaftlichen und gesundheitspolitischen Denken, damit die Menschen endlich verstehen, dass sie ihre Gesundheit selbst in der Hand haben. Es braucht Prävention und für bereits erkrankte Menschen eine frühzeitige Intervention“, appellierte sie.