Mai ist der Monat für Hautgesundheit!

Dr. Franz Leisch
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Der Frühling ist eine geeignete Zeit, Früherkennung von Hautkrebs anzusprechen und die Menschen für Präventionsmaßnahmen und die Vorsorgeuntersuchung zu sensibilisieren.
In den letzten drei Jahren haben viele Menschen pandemiebedingt ihre Termine zur Vorsorgeuntersuchung verschoben oder gar nicht wahrgenommen. Hinzu kommt, dass die Hautkrebs-Vorsorgeuntersuchung für Menschen zwischen 20 und 80 Jahren, die kein erhöhtes Risikopotenzial haben, seit drei Jahren in manchen Bundesländern (z. B. Salzburg) nur mehr alle fünf Jahre von der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) erstattet wird; in anderen (z. B. Tirol) gar nicht. Dabei prognostiziert die Plattform „Cancer Tomorrow“ der World Health Organization (WHO) einen starken Anstieg, auf 8.290 Fälle bis 2040 an Neuerkrankungen (Melanome und andere Hautkrebsarten) in Österreich, (vgl. Cancer Tomorrow – iarc.fr).

Hautkrebs ist die einzige Krebsart, die bereits in frühen Stadien und mit freiem Auge sichtbar ist. Einer von fünf Menschen mit heller Hautfarbe entwickelt im Laufe seines Lebens Hautkrebs; meist ab dem 50. Lebensjahr. Wird die Erkrankung rechtzeitig erkannt, ist der schwarze Hautkrebs (Melanom) zu 95 Prozent heilbar. Befragungen zeigen, dass für 77 Prozent der österreichischen Bevölkerung Krebsvorsorgeuntersuchungen eine hohe Bedeutung haben. Viele Österreicher:innen fühlen sich gut über Krebsvorsorgeuntersuchungen informiert, allerdings waren nur 48 Prozent der Befragten bereits mehrmals bei Krebsvorsorgeuntersuchungen, 25 Prozent haben noch nie eine Krebsvorsorgeuntersuchung wahrgenommen. Die Bevölkerung wünscht sich dafür externe Erinnerungen und Anreizsysteme. Erfolgsfaktoren könnten dabei ein Jahresgespräch mit der Hausärztin, dem Hausarzt, ein Krebsvorsorgepass, Beratungstage und individuelle Informationsschreiben sein.

Im Rahmen der 7. PRAEVENIRE Gesundheitstage im Stift Seitenstetten 2022 besprachen Dermatolog:innen und Gesundheitsexpert:innen bei einem PRAEVENIRE Gipfelgespräch aus ihrer jeweiligen Perspektive wie die Früherkennung von Hautkrebs in Österreich verbessert werden kann. Das aktuelle Regierungsprogramm erfasst das Thema Vorsorge an verschiedenen Stellen und bot eine solide Diskussionsgrundlage: die medizinische Untersuchung im Rahmen der Bundesheer-Stellung als wichtige Säule der Vorsorge, die Einbeziehung typischer beruflicher Risiken in die Vorsorgeuntersuchung, die Etablierung von Einladungssystemen und finanziellen sowie sachlichen Anreizsystemen für die Teilnahme an Präventionsprogrammen oder die evidenzbasierte Modernisierung der Vorsorgeuntersuchungen.

„Hautkrebs geht jeden an, und zwar in jedem Alter!“

Die Ursachen für eine Hautkrebserkrankung können schon in den frühen Lebensjahren verortet werden und Einfluss bis ins hohe Alter nehmen, weiß Prim. Priv.-Doz. Dr. Christian Posch, PhD, Vorstand der Abteilung für Dermatologie am Krankenhaus Hietzing, Wien. Mit seinem Impulsreferat gab er den Teilnehmenden medizinische Hintergrundwissen.
Es gibt sehr viele verschiedene Hautkrebserkrankungen, die sich im Grunde in zwei Formen unterteilen lassen: schwarzer (Melanom) und weißer (nicht-Melanom) Hautkrebs. Das Melanom, das zu den aggressivsten Arten gehört, ist die fünfthäufigste Krebserkrankung des Menschen und verantwortlich für die meisten Hautkrebs-Todesfälle. Der Ursprung liegt an nur einer Stelle des Körpers, von wo sich dieser dann durch Metastasen ausbreiten kann.
Es gibt eine disproportionale Häufigkeitsverteilung bei Hautkrebserkrankung mit einem sprunghaften Anstieg ab dem 50. Lebensjahr. Unter anderem führen akute UV-Schäden im Kindesalter zu einer Verdoppelung des Melanomrisikos im höheren Alter. Aufklärung und Information über diese Tatsache ist deshalb von hoher Bedeutung. Zur Verbesserung der Früherkennung ist auch die Selbstbeobachtung eine effektive Maßnahme, die durch technologische Hilfsmittel unterstützt werden kann (z. B. Dokumentation mit Mobiltelefon und Apps). Die angebotenen Tools ersetzen keine medizinische Diagnose durch eine Ärztin oder einen Arzt, aber sie eignen sich gut für die Beobachtung und können den Nutzerinnen und Nutzern Hinweise bei Verdachtsfällen geben und die Hemmschwelle senken, bei einem Verdachtsfall eine Expertin oder einen Experten aufzusuchen. Nach dem 30. Bis 40. Lebensjahr sollte es zu keiner Neubildung von Muttermalen kommen, sondern die Anzahl an Muttermalen eher abnehmen. Das heißt, jedes neue Muttermal ab diesem Alter sollte zusätzlich von einer Dermatologin oder einem Dermatologen betrachtet werden. Mittlerweile gibt es zu diesem Zweck neue Technologien, die eine Untersuchung vereinfachen und zeitsparend sind.

Vorsorge und Früherkennung sind auch deshalb so wichtig, weil die Morbidität zunehmend steigt, was mit einem Verlust gesunder Lebensjahre einhergeht und die Kosten für das System steigert. Die Morta-litätszahlen des Melanoms für Österreich lagen 2020 bei 415 Todesfällen. In der EU-27 ging man 2020 von 16.488 Fällen aus. Dazu kommen noch die Todesfälle durch andere Hauttumore, die in diesen Re-gistern nicht abgebildet werden (z. B. kutane Lymphome, Merkelzellkarzinom, Plattenepithelkarzinom). Diese Zahlen sind, vor allem in Ländervergleich einfach im ECIS (European Cancer Information System) nachzuschlagen: https://ecis.jrc.ec.europa.eu/index.php. Daten, für Österreich, beziehen sich meist auf Zahlen der Statistik Austria.

Für alle diese Register muss man festhalten, dass leider eine sehr große Dunkelziffer besteht. Da die meisten Register mit ähnlichen Erfassungsproblemen kämpfen, ist der Ländervergleich am aussage-kräftigsten und weniger die absolute Zahl eines Landes. Ein eindrückliches Beispiel: Im Jahr 2011 wur-den alle Melanom-Diagnosen für Österreich zusammengetragen und eine Zahl von 3295 invasiven Me-lanomen festgehalten. Wenn man die in situ (also ganz dünne, nicht-invasive Melanome) noch dazu rechnet waren es 5246 Melanome. Im Vergleich dazu hat die Statistik Austria nur 1607 Melanome erfasst (hier die entsprechende Publikation: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26802530/)

In Österreich übernimmt einzig das Bundesland Vorarlberg die jährliche Hautkrebs-Vorsorgeuntersuchung mit einer Vergütung von 100 Euro. Die ÖGK hingegen übernimmt in gewissen Bundesländern bei Nicht-Risikopatientinnen und -patienten nur alle fünf Jahre die Vorsorgeuntersu-chung. Diese österreichweit unterschiedlichen Regelungen sind für ein umfassendes Screening kontraproduktiv. Hier gibt es Verbesserungsbedarf, denn Österreich ist zwar gut im Erkennen und Behandeln von Erkrankungen, jedoch nicht bei Präventions- und Früherkennungsmaßnahmen. Viele Hautkrebsfälle können durch Vorsorge und Früherkennung verhindert werden!
Insgesamt muss auch die Versorgungsforschung ausgebaut werden, denn diese ist im dermatologischen Bereich völlig unterentwickelt. Es fehlen Unmengen an Daten, die eigentlich die Grundlage wären, um mit Argumenten an entsprechende Entscheidungsträgerinnen und -träger heranzutreten, um Verbesserungen in der Hautkrebsfrüherkennung und -prävention zu initiieren.

Infokampagne „Sonne ohne Reue“

Durch die steigenden Hautkrebszahlen, nicht nur des malignen Melanoms, sondern auch des hellen Hautkrebses, wie Basalzellkarzinom, Plattenepithelkarzinom und seiner Frühform der aktinischen Keratose, wird die primäre Prävention von Hautkrebs immer wichtiger. Deshalb startete die Österreichische Krebshilfe bereits 1988, zusammen mit der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie eine Informationskampagne unter dem Namen „Sonne ohne Reue“, berichtete Univ.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Erika Richtig, Mitglied im Vorstand der Österreichischen Krebshilfe und tätig an der Uni-versitätsklinik für Dermatologie und Venerologie, MedUni Graz.

Die Risikopatient:innen für Hautkrebs sind:

  • Menschen mit Sonnenbränden in der Kindheit
  • Menschen, die eher einen Sonnenbrand bekommen als braun zu werden
  • Menschen mit hellerer Haut, hellem oder rotem Haar oder vielen Sonnenbrandflecken
  • Menschen mit vielen (mehr als 50) oder auffälligen Muttermalen
  • Menschen, die Medikamente einnehmen, die das Immunsystem unterdrücken (Immunsuppression, z. B. nach Transplantation)
  • Menschen mit Hautkrebs in der persönlichen oder familiären Vorgeschichte
  • Menschen, die viel Zeit in der Sonne verbringen (z. B. Personen, die im Freien arbeiten oder Freizeitsportler).

Bewusstseinsbildung bereits in der Schule

Die Vorsitzende des Bundesverbandes Selbsthilfe Österreich, Angelika Widhalm, begrüßt jede Initiative zur Früherkennung des Hautkrebses und der Hauterkrankungen. Es fehlt das Bewusstsein in der Bevöl-kerung für das Risikoverhalten für Hautkrebs und langzeitliche Schäden. Das mag auch daran liegen, dass in der Gesellschaft die „gesunde Bräune“ als Statussymbol von Gesundheit und Wohlbefinden gilt und andere Menschen oft diskriminiert werden. Es fehlt an Awareness für die Hautgesundheit! Bereits in der Schule sollte man das Thema Hautgesundheit in den Unterricht aufnehmen, um frühzeitig für diese Gefahren das Bewusstsein zu schaffen.
Die Sonnenschutzmittel gibt es in einer Preisspanne von billig bis teuer. Doch bei Luxusprodukten zählt mehr die Marke als der Inhalt bzw. wird nicht die Qualität hinterfragt. Es fehlt an Aufklärung, welche schädlichen Stoffe auch in den Sonnenschutzmitteln selbst enthalten sind, sodass diese nicht nur die, den Anwender:in, sondern auch die Gewässer und ihre Tierwelt langzeitlich und unwiederbringbar schädigen.

Weiters wird viel zu wenig auf die Vorsorgeuntersuchungen der Haut im Allgemeinen gelegt. Hier wären die Allgemeinmediziner gefragt, vermehrt auf die Hautgesundheit der Patient:innen zu achten und sie regelmäßig zum Hautcheck zu überweisen. Allerdings fehle es an dementsprechenden Kassenordinationen im dermatologischen Bereich, weshalb bereits jetzt lange Wartezeiten auf einen Termin Ta-gesordnung sind. Es dürfe nicht sein, dass ein Hautarztbesuch nur für jene leistbar sind, die „es sich leisten“ können! Der Dermatologe gehört grundsätzlich in den Gesundheitscheck aufgenommen, nicht erst konsultiert wird, wenn es oft zu spät ist, Schäden sichtbar sind und der Tod nicht mehr lange auf sich warten lässt! Vorsorge heißt in diesem Bereich, massive seriöse Aufklärung und Förderung der Mittel für Projekte gegen Hautkrebs und Langzeitschäden.

Brennpunkt-Themen

  • Zu wenig Awareness- und Informationskampagnen, die die richtigen Zielgruppen erreichen
  • Anstieg der Erst-Diagnosen von malignen Melanomen
  • Zu wenig Dermatolog:innen mit Kassenvertrag bzw. fehlende Kapazitäten im niedergelassenen Bereich, um den steigenden Inzidenzen gerecht zu werden
  • Gefährdung bestimmter Berufsgruppen mit Sonnenexposition (z .B. Bauwirtschaft)
  • Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) hat zu wenig Arbeitsmediziner:innen, die sich dem Problemfeld annehmen können
  • Kein strukturiertes, regelmäßiges Screening-Programm
  • Es fehlt ein Einladungs- bzw. Erinnerungssystem (vgl. Brustkrebsvorsorge)
  • Nicht-Risikopatient:innen erhalten nur alle 5 Jahre bezahlte Vorsorgeuntersuchung
  • insgesamt ist die Datengrundlage zu Hautkrebserkrankungen unzureichend

Lösungsansätze

Awareness schaffen: vom Kindergarten, über die Schule, den Arbeitsplatz und bis hin ins hohe Alter

  • Großangelegte, zielgruppenspezifische Aufklärungskampagnen und Initiativen mit Unterstützung der Politik und Sozialversicherungsträger zur Steigerung der Gesundheitskompetenz star-ten (Bildmaterial verwenden und in mehreren Sprachen veröffentlichen)
  • Hautkrebs und Prävention als Schwerpunkt einmal pro Jahr in Kindergärten, Schulen und anderen Bildungseinrichtungen durchführen
  • Zentrale Figuren/Vorbilder einsetzen, die Hautkrebsvorsorge propagieren
  • Sonne als Risikofaktor stärker propagieren
  • Schutz von Arbeitnehmerinnen und -nehmern mit Sonnenexposition erhöhen – durch Awareness und verstärkten Früherkennungsmaßnahmen in den Betrieben
 

Verbesserung der Früherkennung, z.B. durch strukturierte Screening-Programme

  • Einladungs-/Erinnerungssysteme bzw. Vorsorgepass implementieren
  • Hautkrebsvorsorge als Teil der Gesundenuntersuchung lückenlos durchführen
  • Hinweis in den Flyer der Sozialversicherung aufnehmen, dass auch die Hautkrebsvorsorgeun-tersuchung eine wichtige Krebsvorsorgeuntersuchung ist (nicht nur PAP und Darmkrebs)
  • Erstattung der Hautkrebsvorsorgeuntersuchung einmal pro Jahr für alle Österreicher:innen
  • Risikopatientinnen und -patienten identifizieren und zusätzlich zur Vorsorge bestellen (Compliance erhöhen)
  • Screening-Pilotprojekt starten und dieses nach einer Probelaufzeit flächendeckend etablieren; Projekt in Deutschland als Vorreiter nehmen: https://www.nvkh.de/versorgungsziele; https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Melanom/melanom_node.html
  • Fachgesellschaften einbeziehen und gemeinsam Leitlinien erstellen

Versorgungsforschung fördern, um Datengrundlage für die Argumentation im politischen Entscheidungsprozess zu schaffen

UV-bedingten Hautkrebs als Berufskrankheit rechtlich anerkennen

Mission Statement

Das PRAEVENIRE Gipfelgespräch „Früherkennung von Hautkrebs – Quo vadis, Austria?“ brachte allgemeinen Konsens darüber, dass Hautkrebsvorsorge im Kopf beginne. Es ist daher essenziell, die Bevölkerung bereits ab dem Kindesalter zu sensibilisieren und ein Bewusstsein für Risikofaktoren (z. B. UV-Strahlen), Schutzmaßnahmen, Vorsorge und Früherkennung zu schaffen. Zielgruppenspezifische Aufklärung vom Kindergarten, über Schulen, den Arbeitsplatz und hinein bis ins hohe Alter ist entscheidend für die Reduzierung von Hautkrebsfällen!

Zusätzlich zur Bewusstseinsbildung braucht es regelmäßige Untersuchungen bei Expert:innen. Denn Hautkrebs kann, wenn er rechtzeitig erkannt wird, in 95 Prozent der Fälle geheilt werden. Durch flächendeckende, systematische Screening-Programme und der Schaffung von Einladungs- und Anreizsystemen sollen Menschen zukünftig an die regelmäßigen Vorsorgetermine – die für alle Österreicher:innen jährlich von der ÖGK übernommen werden sollten – erinnert werden.

Die WHO geht bis 2040 von einem massiven Anstieg an Hautkrebsfällen in Österreich aus. Durch Bewusstseinsbildung und Früherkennung können viele davon verhindert werden!

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